Maßnahmen gegen den Klimanotstand?
Wie die SPD und CSU Konzerne schonen und die Kleinen schröpfen

Erlanger Rot - Ausgabe 2/2021Im Frühsommer 2020 gingen Gewerkschaftskolleg*innen und Betriebsrät*innen aus Sorge um die Arbeitsplätze im Siemens Campus Erlangen an die Öffentlichkeit. Konkret befürchten sie, dass die Siemens AG ausschließlich Bürogebäude auf dem Campusgelände geplant habe, und damit existentiell wichtige Fertigungs-, Prüf- und Laboreinrichtungen endgültig verschwinden könnten. Das hätte nicht nur den Verlust von teuren und z.T. europaweit einzigartigen Versuchseinrichtungen zur Folge, sondern könnte auch Arbeitsplätze gefährden und Teile der für künftige Energieversorgung notwendigen betrieblichen Infrastruktur zerstören. Dass die Kolleg*innen mit ihrer Petition einen Nerv getroffen haben, zeigen die mittlerweile über 600 Kommentare von Beschäftigten und weit über 1.700 Unterschriften.

Schlechte Nachrichten für viele Haushalte in Erlangen: Die Preise klettern nach oben, gerade für Heizung, Sprit und Nahverkehr müssen wir immer tiefer in die Tasche greifen, und ein Ende der Preissteigerungen ist nicht absehbar.

Hatten die Erlanger Stadtwerke erst im vergangenen Jahr in allen Tarifen den Strompreis um knapp 10 % erhöht, so ziehen jetzt die Preise für Bus und Bahn nach mit über 5 % höheren Kosten.

Geht nicht anders, sagen die Verantwortlichen, und verweisen auf Klimanotstand und dringend notwendige Investitionen. Als Grundlage für weitere Maßnahmen soll eine wissenschaftliche Studie dienen, die die Stadt Erlangen eigens hat erstellen lassen. Im Grußwort zur Studie spricht Oberbürgermeister Florian Janik uns Bürgerinnen und Bürger direkt an: "Lassen Sie sich von der vorliegenden Studie inspirieren, werden Sie aktiv und arbeiten Sie mit uns zusammen an einem klimagerechten und solidarischen Erlangen."

Die Studie sowie weitere Informationen sind
auf der Homepage der Stadt Erlangen zugänglich

Wir haben uns die Studie kritisch angesehen, besonders zu den Punkten Wohnen, Transport und Verkehr, Arbeitsplätze, Energie und Wärme. In der heutigen Ausgabe des "Erlanger Rot" geht es ums Wohnen. Die Empfehlungen der Studie für den städtischen Wohnungs- und Gewerbebau sind weder neu noch überraschend:

Die Stadtregierung aus SPD und CSU jedoch scheint den Klimanotstand nicht sehr ernst zu nehmen, oder hält die Studie lediglich für eine nett aufgemachte Broschüre. Wie könnten sonst alle Nachverdichtungen in den ohnehin am meisten sozial und ökologisch belasteten Vierteln genehmigt werden, wie jetzt wieder an der Odenwaldallee und in Büchenbach-Zentrum, zuvor schon in der Isarstraße oder rund um die Hans-Geiger-Straße? Andererseits werden in den grünen Stadtrandgebieten weiter ausschließlich Ein- und Zweifamilienhäuser als Neubauten genehmigt, wie gerade erst in Häusling und Steudach auf ehemaligen Äckern. Klimaschonend ist hier weder die enorme Flächenversiegelung noch der ausbleibende Mietwohnungsbau im unteren Preissegment. Zwar werden auch in den Neubaugebieten 25 % der Häuser als "geförderte Eigenheime" errichtet, wie vom Stadtrat gefordert. Das bedeutet aber lediglich zinsvergünstigte Kredite von der KfW oder die Möglichkeit, Baukindergeld zu beantragen. Angesprochen werden hier die Häuslebauer, und eben nicht diejenigen, die auf sozialen Wohnungsbau angewiesen sind. Wie sieht es eigentlich mit der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAU aus? Hauptaufgabe sei "eine sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung von breiten Schichten der Bevölkerung in der Stadt Erlangen zu gesamtwirtschaftlich vertretbaren Bedingungen", lassen die Geschäftsführer wissen. Mit dieser Zielstellung verwaltet die GEWOBAU derzeit rund 8.400 Wohnungen, in denen fast 25.000 Bürger:innen der Stadt Erlangen leben. Allerdings sind davon laut letztem veröffentlichten Geschäftsbericht aus dem Jahr 2018 nur 2.630 Wohnungen öffentlich gefördert, unterliegen also der Preisbindung und müssen Mieter:innen als Sozialwohnungen zur Verfügung stehen. Das sind nicht mal ein Drittel der Wohnungen, die von der GEWOBAU verwaltet oder neu errichtet werden!

Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass Geschäftsführer und Aufsichtsrat "gesamtwirtschaftlich vertretbare Bedingungen" zum Ziel haben. Was das bedeutet, lässt sich aus dem Geschäftsbericht nur bedingt herauslesen.

Immerhin erklären die Geschäftsführer, dass "das Ergebnis der Gesellschaft und des Konzerns maßgeblich durch das Kerngeschäft der Hausbewirtschaftung beeinflusst ist". Im Klartext heißt das, die wesentlichen Gewinne der GEWOBAU werden durch Mieteinnahmen erzielt. Unseren Berechnungen und Schätzungen zufolge gehen etwa 35 % der Mieten in den Gewinnstock der Gesellschaft. Abgezogen sind Kosten für Instandhaltung und Sanierung, Personalaufwand, Rücklagenbildung und Zinsaufwände. Mieterinnen und Mieter finanzieren also mit jedem dritten Euro nicht etwa eine "sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung", sondern den frei finanzierten Wohnungsmarkt einer offensichtlich etwas aus dem Ruder gelaufenen städtischen Wohnungsgesellschaft.

Was sollte jetzt geschehen?

  1. Wegen der angespannten Lage auf dem Erlanger Wohnungsmarkt muss die GEWOBAU sich ausschließlich um Sanierung und Neubau Sozialwohnungen kümmern.

  2. Bis das Elend der Wartelisten beim Sozialamt und beim Wohnungsamt ein Ende hat, gilt: 100% Sozialwohnungen. Bauträger für Wohnhäuser erhalten Baugenehmigungen nur für geförderten Sozialwohnungsbau.

  3. Der Stadtrat sollte die Empfehlungen der Klimanotstandsstudie in ein nachhaltiges und soziales Wohnungsbau-Konzept umsetzen. Die ersten beiden Forderungspunkte sollten unbedingt Bestandteil eines solchen Konzepts sein.

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